Textauszüge zum Werk

Wenn die Dunkelheit einen Tonfall hätte, vor den Bildern von René Schoemakers wäre er gut zu hören. Präzise schwarzmalerisch äußert sich ein Krisengefühl, das sehr heutig, geradezu unverhohlen aktuell ist und uns herausfordert mit zuweilen bösen Metaphern.


Christoph Tannert, Direktor Künstlerhaus Bethanien, Berlin

René Schoemakers‘ Tableaus erfüllen durchaus Vorstellungen malerischer Virtuosität. Wenn sich allerdings prominente Positionen zeitgenössischer Malerei gerne des Stilmittels der Unschärfe bedienen, malt René Schoemakers mit realistischer Präzision. Sein Vermögen der malerischen Illusionserzeugung fasziniert, schreckt aber auch ab. Denn, wie Wolfgang Ulrich in seinem Buch über die Unschärfe bemerkt: scharfe, klare Bilder beunruhigen, weil sie zu viel zeigen. Kann man sich angesichts von unscharfen Bildern in vagen Assoziationen ergehen, so erfordern scharfe Bilder gedankliche Anstrengung, da die Zeichen auf den Bildern entschlüsselt werden wollen.

Dr. Antje Krause-Wahl, Vertr. Prof. Goethe-Universität Frankfurt/M



Im Kontext der figurativen Malerei der Gegenwart sind die Arbeiten nur schwer einzuordnen, da sie gleichzeitig malerisch präzise naturalistisch verfahren, gleichzeitig jedoch konzeptuell miteinander verbunden sind.
René Schoemakers arbeitet in lang angelegten Projekten und Serien. Dazu passt, dass er es für den größten Vorzug der Malerei hält, ein „Medium der Distanz und Distanzierung“ zu sein.
Die Komponenten seiner Arbeit arrangiert René Schoemakers klar und analytisch. Das bedeutet nicht unbedingt, dass Sinn und Zweck dieses Verfahrens offenkundig vor Augen träten. Verwirrend mehrteilige Anordnungen, Kommentare, scharfe Schnitte, Szenen, die eher Versuchsanordnungen denn „Situationen“ gleichen, bestimmen die Koordinaten seiner künstlerischen Praxis. Mit dem sinnlichen Überredungspotenzial seiner Malerei führt er die Betrachter auf emotionale Eisflächen[…]
„Der Ironiker“ Schoemakers lehnt es ab, die Welt zu entschlüsseln, stattdessen testet er an uns aus, was geht; womit er durchkommt, welcher scheinbar rohe Schlenker vielleicht doch noch zu einem eleganten malerischen Salto führt.
Wenn aber alles so schrecklich unsicher ist und bleibt, so ist doch eines bei Schoemakers sicher: die hohe Qualität der Malerei.

Christoph Tannert, Direktor Künstlerhaus Bethanien, Berlin



René Schoemakers setzt sich intensiv mit Malerei auseinander. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung fügt sich eine keine Schublade, erscheinen doch die meist naturalistisch geschilderten Inszenierungen im Bild sowie die der Bilder selbst als kalt lächelnd vorgetragene Vivisektionen des Realen. Seine Arbeiten weisen durch ihre Synchronität auf verschiedenen Repräsentationsebenen, Bildern im Bild, Modellen im Bild, Schriftzüge und Textfragmente im Bild, eine unheimliche (uncanny) Komplexität auf. Dass Schoemakers Konzeptkünstler ist, wird klar durch die konsequente Hängung und Installation seiner Werke: die einzelnen Arbeiten stehen im konstanten Dialog miteinander und erzeugen so das Gesamtbild. Seine Werke verstehen sich als Inszenierungen, extremer Naturalismus als Darstellungsform erzeugt eine brutale und scharfe Klarheit, welche dem Betrachter direkt und ungefiltert präsentiert wird.
Schoemakers schlägt große Bögen in diverse Richtungen, beruft sich ebenso auf in ihrem Gehalt verdichtete Kinderzeichnungen, Comics, Spielzeug, als auch auf historische Gemälde und Installationen. Er zieht die Welt in sein Werk und lässt den Betrachter alleine einen Ausweg finden.

Dr. Isabel Balzer, balzer projects, Basel



Obwohl alle Details ohne Umschweife zu erkennen sind, bleiben Schoemakers Bilder seltsam fremd und rätselhaft: Immer spielt der Blick eine zentrale Rolle,  sei es, dass die Figur den Betrachter unmittelbar fixiert und dadurch verunsichert, sei es, dass sie mit geschlossenen Augen den Blick nach innen richtet und sich einer visuellen Vereinnahmung verschließt. Die Figur ist vielfach nackt, was den Betrachter in die keineswegs angenehme Rolle des Voyeurs drängt.
Es fällt weiterhin auf, dass fast immer die gleichen Modelle in seinen Bildern zu sehen sind: seltener er selbst als männlicher Part, vor allem aber seine Frau. Dies entlässt den Maler aus dem Verdacht, selbst Voyeur zu sein, was seinen Bildern wiederum eine bestimmte, mental verengte, Perspektive aufzwingen würde. Davon kann aber in den Bildern von Schoemakers keine Rede sein. Im Gegenteil. In der Art ihrer Inszenierung zeichnen sie sich durch eine Unverkrampftheit aus, die freilich nicht nur auf den Maler, respektive seine bildnerischen Mittel, sondern vor allem auch auf das Modell zurückzuführen ist, das, gleichsam wie auf einer Bühne angekommen, sich in einem ganz bestimmten, stringent vorgetragenen Sinne zu präsentieren weiß.

Schoemakers‘ große Tafelbilder werden zur gemalten Performance. Es entsteht eine auratische Wirkung. In die Beziehung zwischen Betrachter und Bildfigur, auf den ersten Blick auf gleicher, fast haptisch-naher Ebene erfahren, schlägt, einem Vexierspiel nicht unähnlich, in eine unüberbrückbare Distanz um. Selbstbewusst betritt Schoemakers indes die Brücke zwischen dem Abbildhaften und der Vorstellung einer objekthaft-ungebundenen Form im Raum. Die Präsenz der Wirklichkeit zeigt sich ebenso in den isoliert wirkenden, auf sich selbst zurückgeworfenen Gesichtszügen seiner Figuren wie in der Inszenierung. Es geht in seinen Bildern um Erfahrung, nicht um Beschreibung von Wirklichkeit.
Vielmehr ist es die in einer Reihung erfahrbar gemachte physische Präsenz des Figürlichen, vor allem aber die Konzentration auf Individualität und Persönlichkeit das Modells, die eine ordnende, wenn auch inszenierte bildnerische Verbindung zwischen Poetisierung und Banalisierung schafft. Die psychischen Befindlichkeiten begründen sich nicht zuletzt aus der mit großer Akribie beschriebenen individuellen Körperlichkeit heraus. Alle stereotype Betrachtungsweise bleibt hingegen kategorisch ausgeschlossen. Stattdessen setzt Schoemakers auf auratische Wirkung, deren Intensität durch die wiederholende Konzentration auf die in seinem bildnerischen Schaffen immer wiederkehrende Figur letztlich entgrenzt wird. Die Art der Präsenz, zwischen emotionalisierender Nähe und einem kompositorischen Arrangement, liefert den Schlüssel zur Erfahrung des Bildes: Im Vertrauen auf die Möglichkeiten der Malerei erschließt sich Wirklichkeit aus wechselseitiger physisch wie psychisch begründeter individueller Existenz.

Gleichwohl bedient sich der Künstler traditioneller bildnerischer Mittel im Medium der Malerei.  Schoemakers‘ Bilder sind immer handwerklich hervorragend gearbeitet. Sie verselbstständigen sich partiell, tendieren durch die gewählten Körperansichten letztlich in den Detailstruktur zur freien Malerei. Mögen die Gesichter in den Bildern auch noch so realistisch erscheinen, in den Details verflüchtigen sie sich bzw. sie wachsen als Malerei über sich hinaus. Das Körperliche erscheint als Form bzw. als ein Formgerüst, in dem einzelne Partien wie etwa Brustwarzen, Halsgrabe, Schlüsselbein oder Thorax eine das Erscheinungsbild ordnende Funktion haben. Das Wirkliche bedingt in den Bildern Schoemakers‘ zugleich ein prinzipiell ungelenktes, betont sinnliches Wechselspiel zwischen inhaltlicher Tiefe und dessen Gegenteil: dem Banalen. Beides ist denkbar und mutet zudem als Reflex unserer alltäglichen Lebenserfahrung real an. Der Mensch bleibt in den Bildern René Schoemakers letztlich ortlos, auf sich selbst zurückgeworfen. Dieser existentielle Zustand nimmt in seinen Bildern mitunter anrührende, mitunter aber auch groteske Züge an. Niemals ist man sich seiner selbst vor diesen Bildern sicher. Wirklichkeit wird mit den Mitteln der Kunst gebrochen und tritt dadurch um so nachhaltiger in unser  sinnliches  Bewußtsein. Und: René Schoemakers trifft unseren Lebensnerv. Das lässt ihn nicht ruhen, ist der innere Motor in seiner Arbeit. Aber dies läßt auch uns, die Betrachter seiner Bilder nicht ruhen.

Uwe Haupenthal, Richard-Haizmann-Museum, Niebüll



Die Serie The Unencumbered Self ist ein genialer Schachzug, altmeisterlich zurückgebunden und zeitpolitisch zuspitzt. Begeisternd in seiner philosophisch auskragenden Dimension, als auch in der ins Auge fallenden malerischen Delikatesse.
Dieser Maler ist ein Rasiermesser. Wie er einzuschneiden versteht in seiner Malerei, das ist das Geheimnis seiner Konzeption, die immer ganz aus dem Malstofflichen lebt und sich zugleich ohne den Anflug einer gedanklichen Volte nicht erdet.
Es ist die Klarheit, auch Härte, die seine Bilder ausmacht, die ihren Platz neben den Altmeistern der Kunstgeschichte suchen, genauso wie seine Eloquenz, die über das hinausweist, was in den Bildern passiert, aber immer Teil des bildnerischen Reflexrahmens ist. René Schoemakers macht keine Versöhnungsangebote im Malerischen, Philosophischen, Politischen. Da lässt er sich nicht erweichen. Andererseits gilt seine herzenswarme Aufmerksamkeit seiner Familie, seinen fünf Kindern, seiner Frau, findet er fast ausnahmslos die Modelle für seine mit Hingabe ausgeführten Porträts und Akte in seinem unmittelbaren Umfeld.
Formuliert Schoemakers vor allem aus seinem privaten Hinterland heraus, geht sein Blick doch immer auf’s Ganze im Weltzusammenhang, auf all die existentiellen Verwerfungen, die das Leben in der Amüsiergesellschaft unter den Bedingungen von Terrorismus, Rassismus, Paranoia und Falschnachrichten mit sich bringt.

Es ist indes nicht nur sein In-der-Zeit-Sein, das mehr und mehr zu einem künstlerischen Jam (nach der Maßgabe „too bold to rock’n’roll“) wird, je länger Schoemakers in Zyklen malt und je mehr er einem progressive flow folgt, es sind nicht nur Einfühlung und Wut, die aus seinen Bildern Diskursplattformen werden lassen, es ist auch die Macht seiner Beobachtung, die der Blick des Anderen auf diese Welt ist, die so stark vom Blick der Quacksalber und der geschrumpften Qualitätsansprüche geprägt ist, ohne Verständnis für Wahrheitssuche und Erkenntnisstreben.

Der Werkkomplex „The Unencumbered Self“ (2018) ist Schoemakers’ jüngster Streich, mit dem er den Spiegel der gegenwärtigen Borniertheit zertrümmert. Die Bildserie setzt die Tendenz der letzten Reihen fort, wo es immer auch um „die Behauptung des einzelnen verkörperten Bewusstseins gegen den Rest der Welt geht“. Das war in „The Missing Kink“ (2014/15) der Fall, in „Dystopia“ (2015/16) und Schoemakers’ phänomenaler „Cranach Suite“ (2017).
Die als künstlerische Intervention und Disput mit Lucas Cranach d.Ä. angelegte Ausstellung von sechzehn Werken im Cranach-Saal von Schloss Gottorf (2017/18) unterstrich Schoemakers Lust an Widerspruch und „Gegenfeuer“. Seine in Verehrung von Cranach mit künstlerischen Mitteln vorgetragene Kritik an Martin Luthers Dogmatik war eine Überraschung, eine Ausnahme im Jahr der jubilierenden Luther-Events. Freilich kann man dem aufbegehrenden Schoemakers mit Johann Georg Rosenmüller entgegenhalten: „Wer da will, daß keine Dogmatik gepredigt werden soll, der will, daß dasjenige verschwiegen werden soll, was die christliche Religion eigentlich von allen andern Religionen in der ganzen Welt unterscheidet. Daher kann man in manches berühmten Neologen Predigt nicht merken, von was für einer Religion der Mann sey, ob er den Jupiter, den Apollo oder Christum anbetet. Denn wenn er nun gerade von der Luftpumpe predigt (wie denn erst ganz kürzlich in gewissen von den Moderecensenten bis an den Himmel erhobenen Predigten, den Bauern die Materie von der Luftpumpe ausführlich vorgetragen worden), wie kann ich da wissen, welches Glaubens der Mann sey? Wie hat Christus gesagt? Gehet hin in alle Welt, und predigt das Evangelium; da stehet nicht: predigt von Luftpumpen; doch man weis sich zu helfen.“

Mit Blick auf Schoemakers „When the saints go marchin’ in“ (2017), einem gezielt vergifteten Dreierpack Heiligendarstellungen mit Pierre Vogel (dem ehemaligen deutschen Boxer und späteren islamistischen Hassprediger), Martin Luther und Steve Bannon (dem ehemaligen Berater Donald Trumps), kombiniert in Zusammenschau mit einer „Reformationsstandarte“ (2017), die in Form und Farbe den IS-Kriegsflaggen nachempfunden ist und den dreimaligen arabischen Schriftzug „allein“ trägt, geht Schoemakers Kritik an der ideologischen Vehemenz im Allgemeinen dann doch auf. Mit zweischneidigen Argumentationen tanzt er auf des Messers Schneide. Schoemakers’ Unverblümtheit im feinstofflichen Malereigewand funktioniert dabei über ihren Überraschungseffekt. Den „Kampf gegen Illusionismus“ verbindet er mit Breitseiten für/gegen „Institutionskritik“ und für/gegen „Dekonstruktion“. Schoemakers inszeniert sich als der „Pale King“ (vgl. den Roman gleichen Titels von David Foster Wallace), der mal extrem gegenläufige Auffassungen vertritt, uns mit emotionslosen Analysen konfrontiert und dann, im Verlangen, lebendig zu sein, mit wiederkehrenden Vanitas-Einschüben an der Bewusstmachung der eigenen Sterblichkeit malt. Tod und Todesverachtung liegen sich in den Armen. Nun wissen wir, was die Stunde geschlagen hat. Denn „das ungebundene Selbst“ ist natürlich eine Fiktion, die „Eigenmächtigkeit des absoluten Ich“ eine Provokation, weil sie weder die Freiheit der anderen noch ihr eigenes Gewissen kennt und muss, wie schon Fichte forderte, überwunden werden. Schoemakers hat in seinem wunderbar radikal abendländischen Universum der Malerei dafür in Bild und Idee mannigfaltige Entsprechungen gefunden. Gemalte Gedankenlandschaften münden stets in eine Fühlbarkeit der Welt, deren Wunden und Wunder sich Schicht für Schicht mit Farbe aufladen.

Christoph Tannert, Direktor Künstlerhaus Bethanien, Berlin



Die Ausstellung „Blendwerk“ im Städtischen Museum Kalkar versammelt Arbeiten des Kieler Künstlers René Schoemakers der letzten drei Jahre. Ein Schwerpunkt hierbei ist die Serie „The Unencumbered Self“, die vollständig erstmals im April in Berlin gezeigt wird, in Kalkar aber bereits in ihren wesentlichen Arbeiten. Ergänzt wird diese Auswahl mit einer Reihe Leinwandarbeiten aus den Werkserien aus den Jahren 2014-2017.
René Schoemakers Bildinszenierungen vermitteln keinerlei Behaglichkeit, die Welt erscheint als Ort sich überlagernder Sinnzusammenhänge, in die sich das konkrete Individuum verstrickt, ohne seinen endgültigen Ort zu finden. Obwohl seit nun 30 Jahren die Ehefrau, neben dem Künstler selbst und den fünf gemeinsamen Kindern, Hauptmotiv der meisten Arbeiten ist, ergeben sich keine intimen Genreszenen, sondern vielmehr nüchterne Inszenierungen, die eher an Performances erinnern. Handlungen, Gesten und Blicke weisen über das unmittelbar naturalistisch Wiedergegebene hinaus, vervielfacht durch eine Vielzahl unterschiedlicher und miteinander verschränkten Ebenen der Repräsentation (Zeichnungen, Piktogramme, Spielzeugfiguren etc.).
Nichts an diesen Arbeiten ist realistisch. Insofern handelt es sich vielmehr um Reflexionen im Bild über die Realität und ebenso die Realität der Bilder. Was dem Betrachter offen steht, ist der Einstieg in ein (Netz)Werk von Abbildungen und Querverweisen, wo sich Welthaltigkeit erst in der Aufhebung der Unmittelbarkeit einstellt.
Die unmittelbare Präsenz der individuell identifizierbaren Figuren im Bild erzeugt hier eine dialektische Spannung, denn einerseits IST es diese Figur, andererseits doch bestimmt auch NICHT, denn die Figuren haben ihren leibhaftigen Auftritt im Bild, verweisen aber in erster Linie auf sich selbst im Bild, nicht als simple Darstellung von etwas außerhalb des Bildes.
Unmittelbare Nähe und unerreichbare Ferne heben sich auf, was bleibt ist die unleugbare Wirklichkeit des Bildes selbst.
Die Serien der letzten Jahre fokussieren sich zunehmend auf das Spannungsfeld von Individuum und Umfeld, sind insofern politisch, als dass Schoemakers stets der individuellen Existenz, der konkreten Körperlichkeit den Vorrang enräumt vor allen ideologischen Ansprüchen.
Dies alles verhandelt in der Distanz, im Imitat einer B-Movie-Kulisse, Böcklins Toteninsel, eine explodierende Dynamitstange, Masken, Theaterblut und Schminke. Nichts ist echt und deshalb alles so nah am Leben.

Anders Siech, Kunsthistoriker, Hamburg